Nachhaltigen Unternehmen gehört die Zukunft
Nachhaltigkeit ist mittlerweile in aller Munde. Weder in den Medien noch in privaten Gesprächen kommt man um das Thema herum. Es hat längst das Nischenimage, das ihm einst anhaftete, verloren, und wird sowohl von Endverbraucher:innen als auch durch nationale und internationale Regulierungen immer stärker eingefordert. Daher stellen sich auch mittlerweile viele Unternehmen die Frage, wie man das Thema „Nachhaltigkeit“ in seinem Wirtschaften verankern kann. Oft wird dies dabei vor allem unter dem Aspekt der Kosteneffizienz diskutiert; dabei kann „nachhaltiges Wirtschaften“ – richtig angegangen – auch ein echter Innovationstreiber werden, der viele Chancen bietet, das eigene Geschäftsmodell und die Produktpalette erfolgreich neu zu denken.
Doch was bedeutet „nachhaltiges Wirtschaften“ eigentlich?
In der Zeitschrift Harvard Business Review wird „nachhaltiges Wirtschaften“ als Unternehmenspraktiken definiert, die Menschen oder dem Planeten zumindest nicht schaden, im besten Fall Wert für die Stakeholder schafft und sich in der Hinsicht konkrete Verbesserungsziele für die Bereiche, in denen das Unternehmen ökologischen oder sozialen Impact hat, steckt. Als unzureichend werden in dieser Definition ausdrücklich klassische CSR-Aktivitäten wie Corporate Volunteering bewertet. Das „Triple Bottom Line“-Konzept, das Ende der 1990er Jahre von John Elkington entwickelt wurde, und sich immer mehr als allgemeines Verständnis von „nachhaltigem Wirtschaften“ durchsetzt, misst dabei ökonomischen, ökologischen und sozialen Unternehmenszielen den gleichen Wert zu. Das Motto ist: Profit ja, aber nicht allein und um jeden Preis.
Grafik 1: Der “Triple Bottom Line”-Ansatz. Eigene Darstellung.
Wie sieht der „Business Case Nachhaltigkeit“ aus?
Zunächst gibt es natürlich einige Push-Faktoren, die das Unternehmensumfeld beeinflussen und Unternehmen zum Handeln drängen. Regulatorische Veränderungen wie der EU Green Deal, die EU-Taxonomie für Finanzprodukte, das Lieferkettengesetz der Bundesregierung sowie verschiedene Gerichtsurteile machen klar: Nachhaltigkeit wird von Politik und Rechtsprechung auf die Agenda gesetzt und dort auch bleiben. Gleichzeitig verändern sich die Wünsche und Werte der Konsument:innen. Im Jahr 2018 gaben 69 Prozent der deutschen Konsument:innen an, dass Nachhaltigkeit ihre Kaufentscheidung beeinflusse. Sie legen immer mehr Wert auf Aspekte wie Tierwohl, Klimaschutz und Menschenrechte, was in einer höheren Nachfrage nach Produkten, die diesen Kriterien gerecht werden, resultiert. Eine andere Studie zeigte, dass die mediale Berichterstattung zu sozialer und ökologischer Verantwortung die einzige signifikante Variable war, die die Bewertung von Unternehmen und die Kaufabsicht der befragten Konsument:innen beeinflusste. Neben dem regulatorischen Druck und der steigenden Nachfrage nach nachhaltigeren Unternehmenspraktiken, gibt es jedoch einen weiteren, oft nicht explizit mitbedachten, Push-Faktor: die physischen Risiken. Physische Risiken sind Umweltrisiken und Bedrohungen, die durch den Klimawandel entstehen. Das können etwa Überschwemmungen durch Starkregen am Betriebsstandort sein, Dürren, die zu Ernteausfällen führen, oder der Anstieg des Meeresspiegels, der Regionen unbewohnbar macht.
Neben diesen Faktoren, die Unternehmen dazu drängen, sich mit Nachhaltigkeit auseinanderzusetzen, gibt es jedoch zahlreiche Chancen, die sich durch nachhaltigere Unternehmenspraktiken ergeben. Zum einen lockt ein besseres Risikomanagement. Langfristig gedachte, wertebasierte, partnerschaftliche Beziehungen mit Zulieferern lassen mögliche Risiken frühzeitig erkennen und diese besser managen. Gleichzeitig sorgen sie für eine gleichbleibend hohe Qualität der zugelieferten Rohstoffe oder Produkte. Zuletzt schafft das Bewusstsein für ökonomische, soziale, ökologische und regulatorische Veränderungen eine bessere Ausgangsposition, um mögliche relevante Veränderungen zu antizipieren sowie frühzeitig auf sie zu reagieren. Das ist insbesondere in einer zunehmend von Wandel und Unsicherheiten geprägten Welt von großem Vorteil. Neben der Antizipation von und dem Umgang mit Risiken, birgt die Beschäftigung mit Nachhaltigkeit aber auch echte Innovationspotenziale. Die eigene Wertschöpfungskette aus neuen Perspektiven zu betrachten und gemeinsam mit den relevanten Akteur:innen weiterzudenken, ist ein guter Ansatz für nachhaltige, unternehmenseigene Innovationen. Dies können etwa neue Technologien in der Produktion oder Verpackungslösungen sein, die neben Energie auch Kosten einsparen, oder auch nur die kluge Kombination bereits vorhandener Lösungen. Möglich sind aber auch komplett neue Produktpaletten oder Business Modelle, die mit nutzer:innenzentriertem Blick aus den veränderten Kund:innenbedürfnissen abgeleitet wurden (siehe Grafik 2).
Grafik 2: Die fünf Ebenen der unternehmerischen Innovationspotenziale von nachhaltigeren Geschäftspraktiken. Eigene Darstellung, angelehnt an Nidulomu, Pralahad & Rangswami (2009)
Neben den Kund:innenbedürfnissen haben sich aber natürlich auch die Erwartungen der (potentiellen) Mitarbeitenden an ihren Arbeitgeber verändert. Eine ernstgemeinte Nachhaltigkeitsstrategie ist hierbei für Unternehmen ein echtes Asset. Eine solche kann beispielsweise die jährliche Kündigungsrate und die damit verbundenen Opportunitätskosten signifikant senken oder ein echter USP bei der Werbung neuer, gerade hochqualifizierter und global mobiler, Arbeitskräfte sein. Last, but not least, zeigen mittlerweile verschiedene Erhebungen, das nachhaltiges Wirtschaften zu einer besseren finanziellen Performance von Unternehmen führt. Die global agierende Asset Management Firma Arabesque und die Universität Oxford haben systematisch den Forschungsstand hierzu ausgewertet. 90 % der 200 analysierten Studien, die den Zusammenhang zwischen Nachhaltigkeit und Unternehmensperformance untersuchten, kamen zu dem Ergebnis, dass nachhaltig wirtschaftende Unternehmen günstiger neues Kapital aufnehmen konnten. Ähnlich klar wurde (88 % der Studien), dass gute Nachhaltigkeitspraktiken zu einer besseren operativen Performance führten und ein positiver Zusammenhang zwischen Aktienpreisen und guten Nachhaltigkeitspraktiken besteht (80 % der Studien). Was hier jedoch besonders interessant ist: Laut einer Studie der Boston Consulting Group zahlt sich Nachhaltigkeitsengagement für den Unternehmenserfolg nur aus, wenn ein umfassender Ansatz verfolgt wird. Wird das Thema lediglich einseitig angegangen und nur soziales Engagement oder Umweltstandards priorisiert, kann dies sogar einen negativen Effekt haben.
So gestalten Sie die ersten Schritte in Richtung Nachhaltigkeitsstrategie
Nachhaltigkeit auf das eigene Geschäftsmodell und die Unternehmenspraktiken zu übertragen kann, trotz der vielen Vorteile, die es verspricht, im ersten Moment als Herkulesaufgabe erscheinen. Immerhin ist der Anspruch an Unternehmen, Nachhaltigkeitsaspekte systematisch zu berücksichtigen, erst in den letzten Jahren so präsent geworden, wie er heute ist. Wie kann man sich dem Thema also für das eigene Unternehmen nähern?
- Gemeinsames Verständnis erarbeiten und erste Ziele setzen: Was soll Nachhaltigkeit für uns bedeuten? Was wollen wir damit erreichen? Wie können wir diese messen?
- Kompetenzen überprüfen: Welche habe ich im Haus, welche muss ich rekrutieren oder einkaufen, oder mit wem kann ich dafür zusammenarbeiten?
- Den Weg zum nachhaltigen Wirtschaften als Chance mit hohem Innovations-, aber auch Transformationspotential verstehen und den Mitarbeitenden auch klar so kommunizieren.
- Die Mitarbeitenden aktiv in den Transformationsprozess einbinden und gemeinsam eine neue Unternehmensidentität mit den dazugehörigen Prozessen und Produkten entwickeln.
- Den gesamten Prozess stets als iterativen und adaptiven Prozess begreifen und kommunizieren, d.h. sich ändernde Ziele, Vorgaben sowie Kund:innen- und Mitarbeiter:innenwünsche sind Normalität und speisen den Prozess anstatt ihn zu stoppen.
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